Aktuell gibt es europaweit insgesamt 178 Chemie-Werkfeuerwehren (130 Betriebe in Deutschland und 48 Betriebe in Österreich). TUIS-Spezialisten stehen mit ihrer Einsatzbereitschaft 365 Tage für die Freiwilligen Feuerwehren zur Verfügung. TUIS bedeutet “Transport-, Unfall-, Informations- und Hilfeleistungssystem der chemischen Industrie”. TUIS bietet öffentlichen Feuerwehren sowie anderen Behörden, beispielsweise der Polizei, bundesweit und europaweit Unterstützung bei Transport- und Lagerunfällen mit Chemikalien an.
Diese Unterstützung kann in drei Stufen erfolgen:
- Stufe 1 Telefonberatung
- Stufe 2 Fachberatung am Unfallort
- Stufe 3 Werkfeuerwehr (technische Hilfe) am Einsatzort
Der Landkreis Rosenheim befindet sich zentral im Bereich einiger nahegelegener TUIS-Standorte. TUIS-Hilfe kommt in unserer Nähe zum Beispiel je nach Gefahrstoff meist von Sandoz in Kundel, der Infraserv aus Gendorf oder von Wacker in Burghausen.
Fast jährlich gelingt es dem Landkreis Rosenheim, der Einladung der Wacker-Werkfeuerwehr in Burghausen für einen kostenlosen Trainingstag „TUIS“ Folge zu leisten. Heuer nahmen wieder neun Einsatzfahrzeuge und eine 27-köpfige Feuerwehrmannschaft aus neun verschiedenen Landkreisfeuerwehren an diesem Sondertraining teil.
Vor den praktischen Übungen stand eine kurze theoretische Grundschulung im Vordergrund. Schwerpunkt der Ausbildung war der Unterschied „Gefahrgut und Gefahrstoff“. Allgemeine Gefahrgut-Kennzeichnungen, der Umgang mit Frachtpapieren, die GAMSN-Regel sowie einsatztaktische Maßnahmen sind im Detail erörtert worden.
Im Zuge der Ausbildungsliste standen zwei Sonderübungen auf dem Tagesprogramm. Auf Wunsch der Teilnehmer ermöglichten die beiden Wacker-Ausbilder (Stefan und Florian) eine kleine dritte Sonderübung. Ebenfalls gingen die beiden TUIS-Ausbilder auf die besonderen Wünsche der Teilnehmer ein und ermöglichten einen kurzen Besuch der Fahrzeughalle der Werkfeuerwehr. Eine kleine Rundfahrt durch das Betriebsgelände von Wacker mit Erklärungen über Funk war eine willkommene Zugabe.
Die Übungsschwerpunkte 2018:
- Undichtigkeit am Hoyertainer (Umfüllarbeiten). Schwerpunkt waren hier die Menschenrettung sowie das ausgelaufene Produkt aufzufangen und die Austrittsstelle zu finden und die mögliche Leckage abzudichten beziehungsweise den Dombereich des Behälters zu säubern.
- Auslaufende Flüssigkeit mit Geruchsbelästigung (Chlor-Acetaldehyd, UN-Nr. 2232) bei
- Austritt von Ammoniak (Druckleitung) aus einem Kühlhaus.
- Dieser Gefahrstoff findet sehr viel Verwendung und hat auch seine Besonderheiten für die Feuerwehren im Einsatz. Das Ausbilderteam konnte an dieser Stelle viele persönliche Erfahrungen einbringen, wie beispielsweise:
- Personen mit Kontaktlinsen – kein Einsatz mit Kontaktlinsen bei Ammoniak.
- Bei Verwendung von PH-Papier – erst das PH-Papier befeuchten und dann auf das Produkt legen oder halten. Erst dann verfärbt sich das PH-Papier für eine Anzeige.
- Umgestürzter Tankanhänger bei Wartungsarbeiten (Arbeiten am Reifen und Deichsel) auf PKW mit Austritt von einer unbekannten Flüssigkeit mit starkem Geruch. Es stellte sich heraus, dass es Essigsäure (Gefahrnummer 83, UN-Nr. 2789) war.
Bei den drei Übungen wurde nicht nur von den Führungskräften Fachwissen und Einsatztaktik gefordert, sondern auch von den Einsatzmannschaften. Diese Übungen wurden mit schwerem Atemschutz, Sonder-Einsatzanzügen und Chemikalienschutzanzügen abgeleistet.
Kleine Verbesserungsvorschläge erkannten die Übungsteilnehmer selbst.
Die beiden Wacker-Ausbilder brachten einige Punkte der Verbesserung an. Kreisbrandmeister Gefahrgut/Schienenverkehr Christian Hof bestätigte den TUIS-Ausbildern, dass leider noch nicht alle Empfehlungen (gleiche Anregungen wie heuer von Stefan und Florian) von den TUIS-Ausbildern der letzten Jahre bis dato bei allen Feuerwehren so richtig umgesetzt wurden. Dies sollte unbedingt in absehbarer Zeit verbessert werden, zum Beispiel:
- Bei den Alarmstichwörtern ABC 2 und ABC 3 soll der erste Atemschutztrupp (Angriffstrupp) vor dem Ausrücken beziehungsweise auf der Anfahrt mit der Sonderschutzkleidung Form 2 und Gummistiefel ausgerüstet sein.
- Gummistiefel für die vorgehenden Trupps (spätestens nach der Menschenrettung dringlich empfohlen) sowie für die Dekon- Mannschaft.
- Abläufe im Dekonplatz sowie das richtige An- und Auskleiden der Schutzanzüge Form 2 und Form 3 (Vollschutzanzug).
- Farbliche Unterscheidung der Dekon-Mannschaft (Westen für Sauber- und Schmutzig-Mann).
- CSA-Anzug entspricht drei Paar Handschuhen (Schweißhandschuhe, Schutzhandschuh des Schutzanzug und Überziehhandschuh).
- Schutzanzug Form 2 eignen sich besonders, um die Veterinärhandschuhe (lange Stulpen) zu verwenden.
- Schutzanzüge Form 2 mit Füßlingen: Bei bestimmten Herstellern benötigen die Träger dann Schutzstiefel, die beispielsweise ein bis zwei Nummern größer sind als ihre normale Fuß-Größe.
- Filter für den Dekonplatz-Bereich.
- Funklösungen beziehungsweise Funktechnik (Befestigung und Bedienung) im Vollschutzanzug.
Die praktischen Tipps und Tricks der Ausbilder „TUIS-Wacker“ nach den Übungen waren eine sehr wertvolle Ergänzung zu den einmaligen Übungsszenarien. Jeder Teilnehmer konnte hierdurch sein Fachwissen erweitern und viele Anregungen nach Hause zu den jeweiligen Standorten mitnehmen. Dieses Wissen wird jetzt an die Kollegen vor Ort weitergegeben. Somit sind wir für die Zukunft bestens aufgestellt und können uns allen Anforderungen gemeinsam stellen.
Aufgrund der großen Begeisterung und der vielen Anfragen versuchen wir (KBM Gefahrgut – Schienenverkehr Christian Hof) wieder einen Trainingstag für 2019 zu ermöglichen.